Offizielle und tagtägliche Geschichte der Stadt und ihres Hauptplatzes
Der Altstädter Ring gehört zweifellos zu den wichtigsten Zeugen der Prager Geschichte. Neben den vielen historisch prägenden Ereignissen, die hier stattgefunden haben, erlebte und noch heute erlebt dieser Platz unzählige alltägliche, gewöhnliche und wohl auch unbedeutende Ereignisse, die die lange Geschichte von Prag und ihrer Bewohner bilden. Er war nicht immer das repräsentative Zentrum der Stadt, wie wir ihn heute kennen. Im Gegenteil: er entstand spontan als Markt an einem Ort, der dafür am geeignetsten schien, und von Anfang an viele unterschiedliche Funktionen und Gestaltungen hatte. Einige davon können wir uns heute nur noch schwer vorstellen.
Historiker sind sich einig, dass die Entstehung des Altstädter Rings vermutlich viel später erfolgte, als bisher angenommen. Die ersten Umrisse des Platzes stammen aus dem letzten Drittel, vielleicht sogar erst aus dem letzten Viertel des 11. Jahrhunderts. Und für viele Jahrzehnte, vielleicht sogar ein Jahrhundert, hatte der Platz nur eine lokale Bedeutung – wir finden keine Erwähnung in den historischen Texten. Er taucht nicht – anders als viele anderen Bauten und Orte – in keiner historischen Darstellung der Stadt auf. Die erste Darstellung des Altstädter Rings stammt erst aus dem Jahr 1562. Sie finden ihn im sogenannten Prager Stadtpanorama, einem Stich, ein Exemplar aus Breslau, der Prag relativ detailliert von Pohořelec bis zum Vyšehrad-Hügel beschreibt. Übrigens, den Namen „Großer Platz“, der seine Bedeutung unterstreicht, hat der Altständer Ring erst 1895 bekommen.
Längst verschwundene Ansichten
Paradoxerweise lässt sich die Geschichte des Altstädter Rings am besten durch Bauten beschreiben, die hier längst nicht mehr stehen und deren Überreste meist unter der Erde vor den Augen der Besucher verborgen sind. Lassen wir uns mit Hilfe dieser alten Zeugen, versteckt in den Kellern oder unter den Pflastersteinen des Platzes und der umliegenden Straßen, auf zumindest ein Stück dieser langen Geschichte zu begeben.
Frühmittelalterliche Händler vermarkten ihre Waren direkt von der Straße (so wie wir dies heute in Indien und ähnlichen Ländern sehen). Sie breiteten ein Leinenstück oder ein anderes Stoff aus und die Käufer mussten sich bücken, um die Ware auszuwählen. Ein weiterer Entwicklungschritt waren die Holzstände, so genannte “Buden”.
Jeder Handwerkszunft wurde ein bestimmter Teil des Platzes zugewiesen und ihre Mitglieder konnten dort ihre Ware verkaufen:
An der Ecke der heutigen Pařížská-Straße gab es Geflügelhändler, unter dem heutigen Altstädter Rathaus wurden Fleisch und Pelze verkauft, und in ähnlicher Weise war der Platz in viele Abschnitte – Verkaufstellen – unterteilt. Vermutlich seit bereits 1211 taucht in den Aufzeichnungen auch eine für die Marktverwaltung verantwortliche Person auf. Dieser Verwalter kassierte Gebühren für die Anmietung eines Standes oder einer Verkaufsstelle und überwachte die Sauberkeit und die Sicherheit des Marktplatzes.

Als die Bedeutung des Marktes zunahm, wurde dieser von Häusern umgeben – zunächst von Einfamilienhäusern. Es handelte sich um romanische Turmhäuser – die Aufgabe eines solchen Hauses bestand darin, seinen Besitzer samt seiner Familie und der Dienstleute zu schützen, im Wesentlichen nach dem Prinzip einer mittelalterlichen Burg mit seinem wichtigstem Wehrturm – dem Donjon. Eine systematischere Bebauung entstand erst im 13. Jahrhundert – nachdem Wenzel I. (Václav I.) in den Jahren 1231 und 1240 die Stadtmauern errichten ließ.
Kirchliche Bauten – nicht nur religiöse Veranstaltungszentren
Im frühen Mittelalter, tief im christlichen Bewusstsein verwurzelt, wurden immense Anstrengungen unternommen, um Kirchengebäude – insbesondere Kirchen – zu bauen. Kurz nach der Gründung des hiesigen Marktes wurde auch eine Kirche gebaut. Sie wurde der Jungfrau Maria geweiht und im Jahr 1132 erstmals urkundlich erwähnt. Mit der Weiterentwicklung dieses reinen Geschäftsviertels hängt auch der bald erbaute zweite Kirchenstand zusammen – die Kirche St.-Nikolaus (der Schutzpatron der Kaufleute), die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Marktes befindet. Als wahrscheinlich eine der ersten größeren Bauten in der weiten Umgebung diente sie vielen öffentlichen und oft überraschenden Zwecken – hier tagte der erste Stadtrat, sie diente als Gerichtsgebäude und als ein Ort für Geschäftsverhandlungen.
Das Aussehen dieser ersten beiden Kirchenbauten ist leider unbekannt. Beide Kirchen wurden abgerissen und wieder aufgebaut, um so dem Stil und Zweck der folgenden Jahrhunderte, sowie der wachsenden Bevölkerung der Prager Altstadt gerecht zu werden.
Auch die Bedürfnisse der expandierenden städtischen Siedlung wurden komplexer und es war auch notwendig, ein funktionierendes Amt – das Rathaus – zu errichten. Dieses wurde im Jahr 1338 kodifiziert. Zu diesem Zweck kaufte die Stadt ein Eckhaus, an dessen Stelle heute das Hauptgebäude des Rathauses mit der Altstädter Astronomischen Uhr steht.
Dieses Haus wurde nach seinem Besitzer – Haus Woflin od Kamene benannt. Nach dem Kauf begannen bauliche Veränderungen und der Bau des Turms – dieser wurde 1364 fertiggestellt und ist bis heute in nur leicht veränderter Form erhalten. Ebenso auch die Kapelle, die bald darauf gebaut und bis heute erhalten wurde. Aufgrund der wachsenden Ansprüche der Stadt und der Beamtenschaft wurden nach und nach weitere Häuser in Richtung Kleinseite gekauft – bis zu dem Umfang und der Form, in denen wir das Altstädter Rathaus heute kennen.
Bauten, die nur von Bildern bekannt sind
Ein weiteres berühmtes und längst nicht mehr existierendes Gebäude des Platzes war der Krocín-Brunnen. Er steht seit 1591 an der Ostseite des Platzes und war ein deutlicher Beweis für ausreichende Menge an Wasser an diesem Ort – mitten auf dem Markt gab es wohl von Anfang an mehrere Wasserquellen und später Brunnen.
Der Krocín-Brunnen war ein privates Projekt, und da sich die Stadt nicht um ihn kümmerte, gibt es im Stadtarchiv wiederholt Beschwerden über fliessendes Wasser, über Pfützen und Seen, die sich um ihn herum bildeten. Mitte des 19. Jahrhunderts konnte er vermutlich überhaupt kein Wasser mehr halten und glich eher einer Fontäne. Da niemand bereit war, Geld für die Reparatur zu spenden, wurde er 1862 abgerissen.
Mariensäule – eine Geschichte von Symbolen im Leben von Prag
Die Geschichte des Abrisses und Wiederaufbaus der Mariensäule ist eine relativ bekannte und interessante Geschichte. Die ursprüngliche Säule ließ im Jahr 1650 der habsburgische Herrscher Ferdinand III. errichten, als Dank dafür, dass das schwedische Heer am Ende des Dreißigjährigen Krieges die Prager Altstadt nicht erobert und nicht geplündert hatte. Dank des engagierten Einsatzes aus den Reihen der verteidigenden Bürgern, drangen sie nicht über die alten Stadtmauern ein. Die Säule und vor allem das gotische Tafelbild der Jungfrau Maria von Rynecká wurden bald zu einem Ort zahlreicher Wallfahrten und Versammlungen. Kurz nach der Gründung der neuen unabhängigen Tschechoslowakischen Republik, am 3. November 1918, wurde die Säule als Symbol der scheidenden Monarchie spontan abgerissen. Eine Gruppe von Feuerwehrleuten aus Žižkov riss sie ab und vernichtete sie, da sie nach ihrer späteren Erklärung glaubten, dass dies der Befehl der neuen Staatsvertreter war. Nie hat jemand einen solchen Befehl erteilt… Die Überreste der ursprünglichen Säule befinden sich heute im Lapidarium des Nationalmuseums.
Bereits kurz nach diesem traurigen Ereignis gab es Bemühungen, die Säule wiederzuherstellen, aber es dauerte mehr als 100 Jahre, bis die Säule wieder auf dem Platz erneut erschienen ist. Der langjährige Streit zwischen den Anhängern der Säule als wertvolles Kunstwerk und den Gegnern, die sie als Symbol der Habsburger – den Unterdrückern der böhmischen Länder – betrachteten, endete im Sommer 2020 mit dem Aufstellen einer Kopie des Originals auf derselben Stelle. Die Existenz hat zweifellos die Atmosphäre des Platzes verändert, ihn hervorgebracht und die heute geschätzten Elemente der barocken Skulptur hineingebracht. Die Wahrheit bleibt, dass die neue Säule die Atmosphäre hier völlig verändert hat und auch einen Hauch an spirituellen Proportionen hinzugefügt hat. Übrigens, beurteilen Sie doch die Auswirkungen selbst…

Unter den Füßen der Besucher …
Selbst der Belag des Platzes hat im Laufe der Geschichte viele Veränderungen erfahren. Im Laufe der Zeit wurde der gestampfte Ton durch Kies und schließlich, wahrscheinlich im Hochmittelalter, durch Pflastersteine ersetzt.
Die Nazis wählten diesen Platz für ihre zahlreiche Militärparaden und Märsche und ließen hier als Symbol des Sieges ein riesiges „V“ aus dunklen Kopfsteinpflastern formen. Heute finden Sie auf dem Boden Tafeln, die den sogenannten Prager Meridian markieren, und wenn Sie aufmerksam genug sind, auch kleine dunkle Kreuze, als Symbol für die im Jahr 1621 vor dem Rathaus hingerichteten 27 böhmischen Herren.
Nahe Umgebung des Platzes
Viele romanische Keller und Innenräume, die die Geschichte des Platzes dokumentieren, sind leider geschlossen, aber es gibt einige Stellen, wo man die Überreste der hier ursprünglich stehenden Gebäuden sehen kann. Eine davon ist zum Beispiel der Saal Vincent des Hotels Rott. Die romanischen Steinmauern wurden wahrscheinlich nach französischem Vorbild gebaut und belegen die Anwesenheit einer Siedlung französischer Kaufleute an diesen Orten.
Wenn Sie das nächste Mal auf dem Altstädter Ring stehen, versuchen Sie sich, die zahlreichen Generationen von Menschen vorzustellen, die hier gelebt, gehandelt, geliebt, Gott verehrt und mit dem Glauben in die Zukunft geschaut haben …
So wie wir es heute auch tun…
The author of the article and the manager of the hotel in one has many years experience with writing texts, she has been working as a free-lance journalist contributing to different Czech daily newspapers and other periodics of all kinds. She has spent a part of her career working as a city guide, and her articles are therefore providing a highly informed insight of a person, who was not only born in Prague, but who has crisscrossed the city streets countless times, has read hundreds pages of literature about Prague, and who constantly strives to contribute to the good reputation of the city from her todays workplace. Hopefully with a success…